Zaubersprüche gehören neben Zauberliedern überall zu den uralten Gattungen der Dichtkunst. So steht z.B. die Formel des 2. Merseburger Spruches (bén zi béna...) sehr ähnlich im Atharvaveda [1], einer heiligen Textsammlung des Hinduismus, und wurde möglicherweise aus dem Indogermanischen überliefert.
Beschreibung[]
Zaubersprüche waren im germanischen Kulturkreis ursprünglich eine Anrede an die Dinge, deren man sich für Zauber bediente oder denen die Zauber galten, und das Bestreben, diese in seine Gewalt zu bekommen. Diese Sprüche wurden entweder in gehobenem Ton und rhythmisch gestabt vorgetragen, daher auch die Bezeichnung anord. ljóð oder fræði, oder aber eher gemurmelt hergesagt.
Der Vortrag geschah wohl stets durch einen Einzelnen, singend oder raunend. Bisweilen war erforderte die Lage auch Improvisation. Die Verbindung mit Runen oder sonstiger Schrift ist besonders nordisch gut belegt, s. a. ahd. (Gl.) zauparchiscríp (s.a. Runenzauber). Schriftliche Zeugnisse beginnen erst im Mittelalter: zahlreiche Verbote gegen die incantationes, carmina diabolica u. ä.
Der Vers mit dem epischen Eingang, wie er in den beiden Merseburger Zaubersprüchen aus dem 9./10. Jh. vorliegt, ist trotz der germanischen Götternamen aller Wahrscheinlichkeit nach fremden Ursprungs, hat sich aber frühzeitig über Mittel- und Nordeuropa verbreitet. [2]
Christliche Zaubersprüche[]
Für fremden Einfluss auf den 2. Merseburger Zauberspruch spricht nicht nur die Umgebung der Überlieferung, sondern auch die Übereinstimmung mit der älteren christlichen incantacio contra equorum aequitudinem in Trier [3]. Seitdem haben sich christliche Zaubersprüche in großer Vielfalt verzweigt und blühten das ganze Mittelalter hindurch.
Vorläufer[]
Diese christliche Form der Zaubersprüche hat aller Wahrscheinlichkeit nach einen älteren Typus, der den epischen Eingang nicht kannte, verdrängt. Von dieser älteren Spruchart sind keine Beispiele erhalten, und der Zaubermeister der Havamal (146 ff.) sagt in 18 Strophen nur, wogegen er Zaubersprüche (ljóð) kennt, nicht aber die Sprüche selbst. Und auch sonst wird nirgends in den nordischen Quellen der Spruch selbst angeführt, obgleich er öfter erwähnt wird.
Quellen[]
- Über die Stilform der altdeutschen Zaubersprüche bis 1300 (RI OPAC). Müller, Martin. Kiel (1901)
- Über Weissagung und Zauber im nordischen Altertum (BSB Opac Plus). Hugo Gering. Rede zum Antritt d. Rektorats d. Christian-Albrechts-Univ. zu Kiel am 5. März 1902. Kiel : Lipsius & Tischer in Komm., 1902.
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 4 Bände (1. Aufl.). Johannes Hoops. K. J. Trübner, Straßburg 1911-1919. Bd. II, S. 200 ff. (Art. Gesang). Bd. IV, S. 581 (Art. Zauber, § 12.)
- F. Hälsig, Der Zauberspruch bei den Germanen bis um die Mitte des 16. Jhds.; Leipzig, 1910.
- Reidar Th. Christiansen, Die finnischen u. nordischen Varianten des 2. Merseburger Spruches; Hamburg, 1914.
Einzelnachweise[]
- ↑ Atharvaveda, Text IV 12 in der Śaunakīya-Version, IV 15 in der Paippalāda-Version
- ↑ Reidar Th. Christiansen, Die finnischen u. nordischen Varianten des 2. Merseburger Spruches; Hamburg, 1914.
- ↑ Zeitschrift für deutsches Altertum. Berlin 1841 ff. Band 52 (1919); S. 169 ff. Digitalisat Mediaevum